Zwang zur Glätte...

Die Geschichte zur Körperrasur

In den meisten europäischen wie auch außereuropäischen Kulturen sind es fast ausschließlich Frauen, die sich ungeachtet ihrer Veranlagung der Körperrasur-Tortur unterwerfen mussten und müssen. Dabei ist zu bemerken, dass die generelle Entfernung aller Körperhaare eher die Ausnahme darstellt.

 

Bis vor wenigen Jahren hatten sich lediglich Frauen in den vom Islam beeinflussten Regionen und in den USA die Achselhaare zu rasieren, während die meisten anderen Kulturen diesen Teil des weiblichen Körpers keinen Regulativen unterwarfen. Durch die Globalisierung des Bildes von Weiblichkeit und Femininität verbreitet sich nun diese Mode auch in Europa, wobei die Omnipräsenz der Werbebilder und Hollywoods diesen Trend nachhaltig fördert.

 

Die Tradition der Körperrasur lässt sich also vom pharaonischen Ägypten über die antiken Stadtstaaten Griechenlands bis hin zum Römischen Reich nachvollziehen. Die ersten materiellen Zeugnisse für die Haarentfernung der vornehmen Römerinnen datieren rund um das fünfte vorchristliche Jahrhundert. Ovid liefert in der Ars amatoria schriftliche Belege für die ästhetisch richtige Form der Präsentation des weiblichen Körpers. Die Rasur der Beinhaare gehörte zwingend dazu.

 

Als Behelfsmittel hierfür dienten vor allem die unterschiedlichsten Cremes, die in ihrer Konsistenz zuweilen durchaus tödlich sein konnten. Als Werkzeuge der Tortur fungierten mitunter kleine geöffnete Meeresmuscheln, die wie Pinzetten verwendet wurden. Selten benutzten Frauen hingegen bei der Entfernung der Haare an Füssen und im Genitalbereich Klingen oder Rasiermesser; diese dienten in Ermangelung von Schärfe lediglich zur Kürzung, nicht aber zur hautnahen Rasur.

 

Aus der Haushaltsliste von Kaiserin Poppea, der zweiten Gemahlin Neros (Eheschließung 62 n.Chr.), lässt sich schließen, dass sie für die tägliche Rasur eine Mischung aus Pech, Harz, Essig, Ziegengalle, Schlangenpulver und getrocknetem Efeu anrichtete. Einem weitaus schmerzvolleren Schönheitsritual unterzogen sich die Griechinnen. Sie brannten ihre Beinhaare mit Hilfe einer speziellen Lampe ab.

 

Doch nicht nur die Griechinnen und Römerinnen bemühten sich um einen glatten Körper. Cäsar berichtet in seinen Schilderungen über die Eroberung der Britischen Inseln von den Praktiken der Kelten, sich den gesamten Körper zu rasieren, ausgenommen der Oberlippen und des Kopfes. Die Comicfiguren Asterix, Obelix und die anderen Bewohner des fiktiven gallischen Dorfes entsprechen somit zumindest in diesem Punkt den realen historischen Gegebenheiten.

 

Völlig verständnislos standen die Römer der Beinrasur der keltischen Krieger gegenüber, da diese in ihrem eigenen kulturellen Umfeld eine Übung der Frauen war. In seinen Ausführungen über den zivilisierten Mann im ersten Buch der Ars amatoria hält Ovid diese Usance deswegen für eines freien Mannes unwürdig. Er setzt Männer, die sich die Beine oder Brusthaare rasierten, orientalischen Eunuchen gleich und beschimpft sie als »Effeminati«.

 

In der auf strikte Trennung der Geschlechterrollen achtenden antiken Welt gab es kaum eine schlimmere Beschimpfung. Die kurzen Achselhaare hingegen hält er für ein Zeichen des zivilisierten Charakters eines vornehmen Mannes und verurteilt mit scharfen Worten Männer, deren Achselhaare unter der Toga hervortraten.

 

»Durch Zierlichkeit mögen die Körper gefallen, sie mögen auf dem Marsfeld braun werden . .. Nicht soll deine Frisur die Haare zu Stacheln deformieren: Das Haar und der Bart sollen von gelehrter Hand geschnitten sein. Und nicht sollen die Nägel hervorstehen, und sauber sollen sie sein, und aus deinen Nasenlöchern soll kein einzelnes Haar hervorstehen. Nicht soll der Herr des schlecht riechenden Mundes eklig sein, und nicht soll der stinkende Bock, der Herr der Ziegenherde, unter der Achsel hausen. Das übrige sollen die leichten Mädchen machen und einer, wenn er als schlechter Mann einen Mann zu haben sucht.«

 

Ovids Idealbild gilt auch heute noch in modifizierter Form in der US-Armee. Die Regeln des US-Marine-Corps über den männlichen Körper legen fest: »No male marine will be required to have his chest hair clipped except that which is so long as to protrude in an unsightly manner above the collar of the long khaki shirt.« (Das Brusthaar eines männlichen Marine untersteht keinen besonderen Beschneidungsvorschriften. Allerdings wird dazu aufgefordert, sichtbar aus dem Kragen des langen Khakihemdes hervortretendes Haar zu stutzen.)

Die byzantinische Kultur übernahm aus der griechischen und römischen die Praxis des Epilierens. Auf diesem Weg dürfte an-schliessend auch die nach Kleinasien vorstossende islamische Welt mit jener Mode in Kontakt gekommen sein und sie übernommen haben.

 

Im östlichen Mittelmeerraum band die patriarchalische Gesellschaft Frauen sehr streng an das Haus und an den alles beherrschenden Ehemann. Nur in Ausnahmefällen war es Frauen gestattet, diese Umgebung zu verlassen, zumeist nur, um Geschäften der einfachsten Art nachzugehen. Frauen nahmen eine Mittelstellung zwischen Kindern und Erwachsenen ein. In ihrer rechtlichen Position ähnelten sie den unmündigen Kindern, in ihrer biologischen Funktion hatten sie jedoch diese Phase längst überschritten. Durch symbolische Gesten galt es nun, den entwickelten Körper der Frau in Einklang mit seiner juridischen Stellung zu bringen.

 

Durch die Haarentfernung erhält die Vulva der Frau Ähnlichkeit mit dem Geschlecht des Mädchens. Sie gewinnt damit symbolisch etwas von dessen Reinheit zurück, nachdem durch die Geschlechtsreife eine blutige Unreinheit über die Frauen gekommen ist — zumindest nach den Vorstellungen der patriarchalischen Ideologie. In der Symbolwelt geschah eine Rückverwandlung, so als entledige sich die Zupfende mit den Haaren zugleich des Schmutzes des Erwachsenseins. Besonders das Genital der Erwachsenen Frau wird häufig mit Schmutz assoziiert, im Gegensatz zum Genital des Mannes, das eigentlich enger mit den Ausscheidungsfunktionen des Körpers in Verbindung steht. In manchen Kulturen gilt deshalb die behaarte Vulva als Sinnbild des Monströsen.

 

In der Umgangs- und Vulgärsprache finden sich kaum positive Bezeichnungen für die weiblichen Schamhaare. Eine der am weitesten verbreiteten Bezeichnungen im Modernen Englischen für das behaarte weibliche Genital lautet »bearded clam« —also bärtige (Venus-) Muschel. Gleichzeitig bedeutet »clam« im Amerikanischen auch noch »zugeknöpfter Mensch«. Für den deutschen Sprachraum ermittelte Ernest Bornemann insgesamt 58 Ausdrücke nur für die weiblichen Schamhaare: Bartwisch, Brechelbusch, Brunnenkresse, Brustbusch, Busch, Damenbart, Drahtverhau, Deispitz, Feigenblatt, Feigenkranz, Fell, Flausch, Flohfänger, Gamsbart, Geissbart, Giftschopf, Gluntbürste, Handbesen, Handfeger, Kaiserbart, Liebesgarten, Lustgartenhecke, Lustgärtchen, Lustwäldchen, Moos, Muff, Naturschutzgebiet, Ofenbank, Park, Pelz, Quaste, Rettich, Schleisse, Schnurrbart, Schopf, Schöpferl, Schürze, Seegras, Seetang,Spitzbart, Tändelschürze, Ulbricht, Unterwald, Urwald, Vliess, Vorhang, Wald, Wolle, Ypsilonwald, Borsten, Bürste, Pfannen, Sauborsten, Wicken, Zizis, Zotten, Oase mit Palmen, Ofen mit schwarzen Pfannen. Diese Vielzahl von Synonymen für die Schamhaare der Frau steht in auffälligem Kontrast zu den Bezeichnungen für die Geschlechtshaare des Mannes. Bornemann konnte nur fünf Ausdrücke für die entsprechenden männlichen Haare finden: Eberborsten, Rosshaar, Rübenkraut, Schwanzhaar, Spargelkraut.

 

Die Gleichsetzung von Schamhaaren mit der Geschlechtsreife lässt sich anhand von einigen Kinderreimen des deutschen Sprachraumes deutlich nachvollziehen. Bemerkenswert ist, dass »haarig« im Alemannischen ein Synonym für Geschlechtlichkeit ist. Das Sprichwort, das diesen Konnex herstellt, lautet: »Haarig, haarig, haarig ist die Katze, / und wenn die Katz net haarig isch, / dann fängt sie keine Mäuse net«. Bornemanns Untersuchung über Kinderreime gibt ein weiteres Beispiel aus dem Berlin der fünfziger Jahre: »Meiner Schwester auf ihrem Bauch / Da wächst jetzt so 'ne Art Lauch. / Weil sie's nicht richtig kennt / Und's immer Petersilie nennt, / hat sie mir jefragt, Und ich hab jesagt: / Meechen, det is keine landwirtschaftliche Ware, / Det sind nur Haare.«

 

Aus der luxuriösen Welt der Harems und des osmanischen Serails, in der die Epilierung und die Beschneidung gleichermaßen erfolgten, sind auch die ersten vollständigen Rezepturen überliefert, die Frauen verhalfen, sich ihrer Körperhaare zu entledigen. Dabei handelte es sich um Mischungen aus Zucker, Wasser und Zitrone. Diese wurden in einem Wasserbad erwärmt, anschließend auf einen Baumwollstreifen gestrichen und danach auf die betreffenden Körperstellen gelegt. Zum Abschluss des Prozedere wurde der Streifen mitsamt den Haaren abgezogen. Diese unangenehme Prozedur musste alle vier bis sechs Wochen wiederholt werden. Miss Beauty, ein Magazin für Mädchen, druckte das Rezept noch im Jahr 1999 als besonders natürlich und empfehlenswert ab. Auch in Nordafrika benutzen Frauen heute noch Enthaarungsmittel, die vorwiegend aus Honig bestehen. Nach der Enthaarung entfernen sie das Mittel nicht, sondern laden ihre Männer »zum süßen Kosten« ein. Die orale Vereinnahmung des Frauenkörpers durch den Mann könnte nicht vollständiger geschehen. Weniger erotisch denn schmerzhaft erfolgt die Epilation im chinesischen Kulturraum. Dort zupfen sich Frauen traditionell die unerwünschten Haare einzeln aus.